Die Pendelbahn - der Superlative

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Auf Deutschlands höchstem Gipfel, die Zugspitze, „Top of Germany“, entstand in den letzten drei Jahren eine Pendelseilbahn der Superlative. Für die Doppelmayr/Garaventa Gruppe sowie für alle Beteiligten war der Neubau der Seilbahn Zugspitze eine ganz besondere Herausforderung. Nach einer intensiven Bauzeit ging am 21. Dezember 2017 die neue spektakuläre Seilbahn in Betrieb.

Text und Bilder: Damian Bumann

Die Besucher von Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze bei Garmisch-Partenkirchen, hatten in den vergangenen drei Jahren nebst einer atemberaubenden Aussicht mit dem Bau der Bergstation der neuen Pendelbahn Zugspitze eine zusätzliche Attraktion. Unmittelbar neben der teilweise als Umschlagplatz mitbenutzten Aussichtsplattform erfolgten unter permanenter Beobachtung der Besucher die ausgesetzten Montagearbeiten an der neuen Bergstation. Wie sich die Monteure an Seilen gesichert über dem rund 1000 Meter hohen Abgrund Gämsen gleich bewegten und ihre Arbeit erledigten, sorgte  schon mal für einen spontanen Applaus der Besucher. Weil die Platzverhältnisse bei der Bergstation knapp waren und die eigens gebaute Materialseilbahn von Moosmair eine Gewichtslimite von sechs Tonnen aufwies, erfolgte der Zusammenbau der mechanischen Teile durch die Monteure der Inauen-Schätti AG, gemäss der vorgegebenen Gewichtsbegrenzung bereits im Werk in Goldau. Anschliessend wurden die Komponenten terminlich abgestimmt just in time zur Bergstation angeliefert und dort verbaut.

Rekorde als Knacknüsse

Damit es überhaupt so weit kam war eine langjährige Planung von diesem gigantischen Projekt notwendig. Im Juli 2011 begann die Vorplanung. Nachdem der Aufsichtsrat der Bayerischen Zugspitzbahn sowie der Verwaltungsrat der Gemeindewerke Garmisch-Partenkirchen im September 2014 grünes Licht für den Neubau der Seilbahn gaben, wurde unverzüglich mit den ersten Bauarbeiten, wie Errichtung einer Baustellenzufahrt begonnen. Eine ganz besondere Herausforderung bildete die neu zu erstellende Bergstation auf 2‘944 Meter. Das Ingenieur-Büro Baucon ZT GmbH aus Österreich entwickelte ein Rückspannbauwerk für die gesamte Gebäudestruktur der Bergstation inklusive für das neue Restaurant, welches 35 m von der Seilbahn-Bergstation herausragt. Diese Gebäudestruktur ist auf den beiden Tragseiltürmen befestigt, die drei Meter über dem Bahnsteigniveau mittels Spezialanker durch das bestehende Gebäude an den Widerlagern auf der anderen Bergseite verankert sind. Über eine Spannbetonbrücke werden die wirkenden Kräfte auf die Südseite umgelenkt. Das Rückspannbauwerk ist im Süden auf Druck- und Zugfundamente abgestützt. 32 Litzenanker ragen 21 Meter in den Felsen, damit diese Sonderkonstruktion die notwendige Stabilität erhält. Bei den Tragseiltürmen auf der Nordseite wurden je acht Felsenanker 12 Meter tief eingepresst. Verantwortlich für den gesamten statischen Entwurf und Detailstatik der Bergstation sowie für dieses einzigartige Rückspannbauwerk war Dr. Hans-Georg Leitner von Baucon Wien.

Trotz der Erfahrung von bald 15‘000 weltweit gebauten Seilbahnsystemen war der Neubau der neuen Seilbahn Zugspitze für die Doppelmayr/Garaventa Gruppe eine besondere Herausforderung. Gerade drei Weltrekorde konnten bei diesem Neubau realisiert werden. Da wäre zum einen der gesamte Höhenunterschied in einer Sektion zwischen der Tal- und Bergstation von 1‘945 Metern. Zum anderen weist die neue Seilbahn Zugspitze mit 3‘213 Meter das längste freie Spannfeld zwischen der einzigen Stütze und der Bergstation auf. Und zu guter Letzt ist da noch die mit 127 Metern höchste Stahlbaustütze der Welt für Pendelbahnen. Die Stütze weist ein Gesamtgewicht von 420 Tonnen auf und 1‘100 Einzelbauteile waren dafür notwendig. Insgesamt wurden über 9‘500 Schrauben angezogen. Das Montageteam der Garaventa erledigte diesen Meisterbau innert vier Monaten. Auch terminlich und logistisch waren einige Hürden zu meistern. So musste die alte Eibsee-Seilbahn bis in den Frühling 2017 in Betrieb bleiben. Der Antrieb in der Talstation ist als klassischer Pendelbahnantrieb mit zwei doppelrilligen Antriebsscheiben ausgelegt. Beide Antriebsscheiben werden simultan angetrieben damit die erforderliche Kraftübertragung erfolgen kann und der zuverlässige Reibwert am Antrieb eingehalten wird. Um einen optimalen Personenfluss gewähren zu können, wurde ein Schiebebahnsteig in der Talstation eingebaut, so dass der Einstieg immer von rechts aussen (Fahrbahn 2) erfolgen kann.

Beeindruckender Schwertransport

Eine Meisterleistung in Sachen Planung und Ausführung waren der Transport und die Seilzüge der vier je 153 Tonnen schweren Tragseile. Nicht nur die Route vom Werk in Romanshorn bis zur Talstation beim Eibsee, neun Kilometer von Garmisch-Partenkirchen entfernt, musste vom Seillieferant Fatzer AG Drahtseilwerke genau geplant werden. Auch die Durchfahrtszeiten des auf zwei zusammengekoppelten Lastenzügen verteilten Schwertransport waren genau vorgegeben. Einmal vor Ort, wurden die neuen Tragseile mithilfe der alten Tragseile der ausgedienten Pendelbahn und unter Einsatz einer speziellen Seilzugmaschine den Berg hochgezogen. Die Zugkraft betrug dabei rund 60 Tonnen. Auf die Umlenkung bei der Bergstation wirkten Kräfte von über 100 Tonnen. Die Tragseile und das Zugseil werden über die zwischen den beiden alten Stützen realisierte neue Stütze mit einer Höhe von 127 Metern geführt. Mit dieser Lösung – eine anstelle von zwei Seilbahnstützen – konnte das Baubudget eingehalten und die Betriebskosten für die neue Seilbahn reduziert werden.

Aus insgesamt 5,56 Millionen Metern Stahldraht mit Durchmessern von 1,85 bis 4,22 mm produzierte die Firma Fatzer AG, für die neue Seilbahn Zugspitze vier Tragseile mit einem Durchmesser von 72 mm und je 4‘900 m Länge sowie zwei Zugseile mit 47 und 41 mm Durchmesser und je 4‘610 m Länge. Die rechnerische Bruchlast jedes einzelnen Tragseils beträgt 6.772 kN – das sind rund 690 Tonnen. Die Besonderheit bei den aus 210 einzelnen Drähten bestehenden Tragseilen vom Typ Integra-Data sind die im Kern verseilten Lichtwellenleiter, welche über Jahrzehnte eine zuverlässige Datenübertragung zwischen der Tal- und Bergstation gewährleisten.

Konstruktive Zusammenarbeit

Das Thema Klima hat den Kabinenlieferanten CWA von Anfang an fasziniert und intensiv beschäftigt. Ausreichende Belüftungsmöglichkeiten, die im Sommer eine angenehme Luftzirkulation garantieren und im Winter wind- und schneedicht sind, sind für den Fahrkomfort der Gäste entscheidend. CWA hat mit dem Kunden eng zusammengearbeitet und Prototypen in der bestehenden Kabine getestet, bis die optimale Lösung erarbeitet war. Top of Germany bietet eine atemberaubende Sicht an. Es war klar, dass diese auch während der Fahrt in der Kabine gewährleistet sein muss. Bei solchen extremen klimatischen Unterschieden zwischen Tal und Berg, liess sich den Beschlag an den Scheiben nicht einmal mit den besten Beschichtungen und Folien konsequent vermeiden. Die Tests, die über eine ganze Saison liefen, zeigten dass eine freie Sicht nur mittels Scheibenheizung garantiert werden kann. Der Kunde hat seine Kabinen bei uns nicht nur bestellt, sondern mitgestaltet und bei mehreren Entwicklungen mit seinem Know-how als Betreiber eine wichtige Rolle gespielt. Das Zusammenspiel zwischen dem Bauherrn und Hersteller funktionierte einwandfrei, so der zuständige Projektleiter der CWA, Oscar J. Garcia.

Bei der Auswahl des Modells hat sich die Bayerische Zugspitzbahn für die neuen Kabinentyp Kronos P entschieden, eine Pendelbahnkabine der Schweizer Firma CWA in Form eines Parallelogramms. Übrigens ist die neue Seilbahn Zugspitze auch in diesem Punkt bislang weltweit einzigartig. Dank der Neigung der berg- und talseitigen Frontscheiben und der in die Dachfläche hineingezogenen Panoramafenster haben die Fahrgäste einen perfekten Berg-, Tal- und Weitblick. Das gilt vor allem auch für die Plätze in der Mitte der Kabine und insbesondere für die kleinen Gäste aber auch Rollstuhlfahrer, deren Sichtfeld bislang durch die nur halbhohen Fenster nicht ganz so panoramareich war. Variable Sitzmöglichkeiten, können je nach Fahrgastaufkommen eingesetzte werden. Die Kabine ist 6,8 m lang und 4,8 m breit und bietet für 120 Gäste sowie für einen Fahrgastbegleiter Platz, was eine Förderleistung von 580 Personen pro Stunde zulässt und dies mit einer Geschwindigkeit von 10,6 m pro Sekunde.

Hohe Verfügbarkeit

Für die Frey AG Stans, war es ein absolutes Highlight, bei diesem einzigartigen Seilbahnprojekt dabei zu sein. In einem Pflichten- und Lastenheft wurde von der Bauherrin genau festgelegt, wie die Steuerung funktionieren muss, damit ein zuverlässiger Betrieb mit höchster Verfügbarkeit erreicht wird. Ein ausgeklügeltes Deaktivierungskonzept sorgt dafür, dass der Betrieb selbst im Störungsfall mit einer reduzierten Fahrgeschwindigkeit aufrechterhalten werden kann. Dies selbstverständlich unter Einhaltung der hohen, geforderten Anlagen- und Betriebssicherheit, welche vom TÜV-Süd überprüft und gutgeheissen wurde. Ebenso erlaubt eine riesige, fast 2 MW starke Netzersatz-Anlage, die Seilbahn Zugspitze bei einem Netzausfall ohne Einschränkungen weiter in Betrieb zu halten. Ein weiteres Highlight der neuen Anlage ist, dass sie als erste Seilbahn überhaupt über drei Laufwerke verfügt. Jedes dieser Laufwerke kann sowohl auf der linken wie auch auf der rechten Spur eingesetzt werden. Dadurch reduzieren sich bei der Revision eines der im Einsatz stehenden Laufwerke die Servicezeiten und garantieren die von der Bahnbetreiberin gewünschte hohe Verfügbarkeit der Anlage.

Bald auch gastronomisch top

Die bekannte Stahlbau und Fassadenunternehmung Pichler aus Südtirol errichtete den imposanten Gebäudekomplex in der Tal- sowie in der Bergstation. In luftiger Höhe wurde in der Bergstation über 2‘000 m2 Fassadenfläche überbaut. Damit architektonisch als seine Richtigkeit hat, gestaltete das Architekt Büro Hasenauer aus Saalfelden die Gebäudehüllen sowie die Verkehrswege der beiden Stationen.

Dass so ein komplexes Projekt umgesetzt werden konnte, bedurfte es einer langjährigen Planung mit kompetenten Partnern die sorgfältig und seriös ihre Arbeit durchführten. Allen Beteiligten an diesem Projekt gebührt hohen Respekt und dass der Neubau der Pendelbahn Zugspitze auf Top of Germany unfallfrei durchgeführt werden konnte. Die definitive Vollendung des neuen Gipfelkomplexes inklusive der neuen Gastronomie wird am 1. Juli von diesem Jahr abgeschlossen sein. Ab dann stehen drei Restaurants mit unterschiedlich definiertem Ambiente und ein Bereich für den schnellen Genuss, wobei insgesamt Platz für ca. 450 Gäste drinnen und ca. 850 draussen geschaffen wird. Wahrlich ein einmaliger Höhengenuss! Jedoch bereits heute beschert das 50-Millionen-Euro-Projekt den Zugspitzbesuchern einen ausgezeichneten Komfort und der gesamten Region touristische Impulse.

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